Segeltransport? Echt jetzt?

Der Grund, warum Waren bei uns so billig sind, warum wir unseren Konsum und Lebensstandard mit relativ wenig Geld aufrecht erhalten können, liegt in der Missachtung der Menschen und der Umwelt, die in die Handels- und Transportkette unserer Alltagsprodukte eingebunden sind.

Dadurch entstehen Schäden. An der Natur und an den Menschen, die unsere Lebensmittel anbauen, Kleidung und Elektroartikel herstellen. Schäden, die letztlich alle bezahlen müssen. Dazu gehören die Zerstörung von gewachsenen Ökosystemen, die Häufung starker Hitze- und Kälteperioden, außergewöhnliche Starkregen und Winde, Umweltkatastrophen, Armut und Gewaltentwicklung, Karawanen von Menschen, die für sich oder ihre Kinder nicht mehr sorgen können, oder deren Leben akut in Gefahr ist und die sich auf den Weg in die reichen Länder machen. Alles hängt miteinander zusammen.

13 Milliarden Tonnen Fracht – rund 90 Prozent des globalen Warenverkehrs – werden über die Meere unseres Planeten geschippert. Nahezu ausschließlich von Containerschiffen, Stückgutfrachtern und Tankern, die mit fossilen Brennstoffen angetrieben werden. Bei diesen Transporten entsteht – übers Jahr gerechnet - mehr CO2 als in ganz Deutschland.

Im Schiffsverkehr werden überwiegend Schweröle als Kraftstoff eingesetzt. Dabei handelt es sich um die meist zähflüssigen, schadstoffreichen Reststoffe aus dem Raffinerieprozess. An Land müsste Schiffstreibstoff als Giftmüll entsorgt werden. Auf See wird recht sorglos damit umgegangen – und Unmengen in den Motoren verfeuert.

Ein mittelgroßes Schiff mit 12.000 Containern (TEU/ Twenty-foot Equivalent Unit) verbraucht bei voller Ladung 300 Tonnen Schweröl pro Tag. Eine Studie der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation schätzt, dass im Jahr 2007 213 Millionen Tonnen Schweröl durch die internationale Schifffahrt verbraucht wurden – das sind fast 600.000 Tonnen am Tag. Aktuell ist es trotz verbrauchsoptimierter Maschinen deutlich mehr – die Anzahl der Schiffe ist seit 2007 um ein Mehrfaches gestiegen.

Mit zunehmender Globalisierung, durch günstige Produktionskosten in fernen Ländern, einem wachsenden Konsum und billigen Treibstoffkosten fahren immer mehr und immer größere Schiffe sehr weite Strecken – und verbrauchen immer mehr Schweröl. Dementsprechend sind die Emissionen der Schifffahrt immens: Für das Jahr 2007 geht die IMO von 870 Millionen Tonnen CO2, 20 Millionen Tonnen Stickoxid und 15 Millionen Tonnen Schwefeloxide aus. (Quelle: NABU)

Da 85 Prozent aller Schiffsemissionen in der nördlichen Hemisphäre entstehen, besteht in Europa und in Deutschland mit seiner großen Frachtschiffflotte dringender Handlungsbedarf: für Reedereien, Schiffsbauer, Antriebstechniker.... und die Politik.

(Copyright: Joshua Wedler)

Cornelius Bockermann, Eigner des Segelfrachtschiffes „Avontuur“:

„Wir müssen die Politik in die Pflicht nehmen. Die Weichen müssen gestellt werden. Solange wir erlauben, Schweröl auf See zu verbrennen, ist das natürlich ein unheimlich billiger Treibstoff. Aber wie können wir das denn erlauben? Es ist ja auch nicht erlaubt, einfach irgendwo einen Autoreifen zu verbrennen. Irgendwann hat mal jemand erkannt, nee, das geht nicht. Oder: bis in die 60er Jahre haben wir die Ablassschraube vom Motor aufgemacht und das Altöl ablaufen lassen und dann frisches Öl rein gefüllt. Irgendwann hat man erkannt, dass das nicht geht. Das versaut die Umwelt.

Und genauso ist es mit dem Verbrennen von Schweröl auf Schiffen. Das ist für mich legalisierte Giftmüllverbrennung auf See. Aus den Augen, aus dem Sinn. Man sieht es ja nicht. Das darfst du nirgends auf der Welt…., so einen Treibstoff verwenden.. Aber auf See verbrennen, das geht…. Das ist für mich Giftmüllverbrennung. Und wenn das nicht verboten wird, dann können wir noch ziemlich lange warten, bis die Reeder einen Anreiz haben, etwas zu ändern.“

Die flotte Flotte

Segeltransport ist die Antworten auf diese fragwürdige Praxis. Derzeit tranportieren wir unseren Kaffee mit zwei Segelschiffen: Mit der „Avontuur“ von Honduras und Mexiko und mit der „De Gallant“ von Kolumbien. Eine der Landratten vom Segelwerk (Jörg Pfeifer) war 2021 – auf eigene Kosten - als Shipmate an Bord der „Avontuur“ und hat die Reise von Honduras bis zu den Azoren mitgemacht. Seinen Bericht könnt ihr in der Segelzeitschrift YACHT und in der CREMA lesen. Unter MEDIEN findet ihr die Artikel.

„Avontuur“

Die AVONTUUR ist ein zweimastiger Gaffelschoner, der 1920 in den Niederlanden gebaut wurde. Bis 2005 wurde sie als Segelfrachtschiff eingesetzt. 2014 kaufte der Kapitän und Reeder Cornelius Bockerman die „Avontuur“ und baute sie mit freiwilligen Helfern komplett neu auf. Seit 2016 fährt der 43 Meter lange Frachtsegler ein- bis zweimal im Jahr von Europa nach Süd- und/oder Mittelamerika, um Kaffee, Kakao, Rum und Tee klimaschonend und nahezu emissionsfrei über den Atlantik zu holen. In die Avontuur passen max. 115 Tonnen Ladung – das Gewicht von nur 4-5 Übersee-Containern. Auf ein großes Containerschiff passen Tausende. Gesegelter Kaffee ist ein Statement „David gegen Goliath“. Ein Statement gegen ungebremsten CO2 – Ausstoß, gegen die Meeresverschmutzung durch Schweröl-Schlackereste, gegen die Lärmverschmutzung der Fischgründe und Wal-Wanderrouten und gegen die mitunter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auf den Transport-Schiffen.

„De Gallant“

Der Frachtschoner „De Gallant“ wurde 1916 unter dem Namen Jannetje Margaretha in Vlaardingen (NL) gebaut – ursprünglich als Fischerboot. 1987 wurde es komplett restauriert und seit 1993 als Passagier- und Segelschulschiff genutzt. Seit einigen Jahren wird das Schiff wieder als Segelfrachter eingesetzt – auf europäischen Routen – und für Fahrten nach Latein-Amerika. Das Schiff ist 36 Meter lang und fasst 35 Tonnen Ladung.