Dort, wo der Kaffee wächst...
Wir bekommen unseren Kaffee aus drei Ländern: aus Kolumbien, Honduras und Mexiko - von kleinbäuerlichen Familienbetrieben, die wir sorgfältig auswählen.
Viele der Bäuerinnen und Bauern, deren Rohkaffee wir kaufen, haben wir inzwischen kennengelernt. Die meisten sind nie zuvor einem ihrer Übersee-Kunden begegnet. Entsprechend neugierig waren beide Seiten zu Beginn der Treffen, voller Fragen, manchmal mit Vorurteilen im Gepäck.
Normalerweise schicken die großen Kaffeehändler "fliegende" Aufkäufer durch die Regionen, um zu einem (meist sehr niedrigen) Pauschalpreis alles zu kaufen, was die Betriebe an Bohnen vorrätig haben. Qualität und Reifegrad sind dabei weitgehend egal.
Wir hatten bei unseren Besuchen andere Themen im Gepäck: langfristige Handelsbeziehung, gemeinsame Qualitätsverbesserung, Preisstabilität und Planungssicherheit, Schutz und Erhalt der Ökosysteme. Durch unsere Gespräche entstand eine vertrauensvolle Handelspartnerschaft auf Augenhöhe und hie und da fast so etwas wie Freundschaft.
In fast allen Anbaugebieten schließen sich Kleinbauern zu mehr oder wenigen großen Kooperativen zusammen. Diese verhandeln mit den Kunden und sorgen für die Umsetzung der vereinbarten Standards. Die Kooperativen sammeln einen Teil der Einnahmen und legen Geräteparks an, sorgen für eine gemeinsame Produktion von Naturdünger, bieten Aus- und Fortbildungen sowie soziale Absicherung für ihre Mitglieder,.... manchmal auch für eine ganze Dorfgemeinschaft.
Kolumbien: Asoprocafé
Die kolumbianische Kaffee-Kooperative Asoprocafé hat ihren Sitz in der Sierra Nevada, in der kleinen Gemeinde Chimila. Die Böden hier sind für den Kaffeeanbau hervorragend geeignet – die Region ist seit vielen Jahren ein Garant für hochwertigen Kaffee.
In Chimila schlossen sich 2011 46 Familien zu einer Agrargemeinschaft zusammen. Ihr Ziel: gemeinsam wachsen, höhere Qualitäten erreichen, durch den Anbau von Bio-Kaffee Ökosysteme schützen, sich in Notlagen gegenseitig helfen und sich auf dem Kaffeemarkt besser platzieren. Dazu: langfristig bessere Preise erzielen und mit den Mehreinnahmen Bildungsangebote und soziale Absicherung verbessern.
Einen Teil ihres Kaffees verkauft die Kooperative erfolgreich über eine Eigenmarke auf dem heimischen Markt, doch die Preise sind staatlich vorgegeben und orientieren sich am Börsenpreis.
Das Segelwerk ist der erste und bislang einzige Direktkunde von Asoprocafé. Bei unserem Besuch im Januar 2022 entwickelte sich eine sehr freundschaftliche, fast schon familiäre Verbundenheit. Das Interesse der Kaffeebauern an der Vermarktung des Kaffees, am Segeltransport, an der Situation in Deutschland – und an unseren ganz persönlichen Lebensumständen war mindestens genauso groß, wie unser Interesse am Kaffeeanbau und dem Leben in der Sierra Nevada.
Um wirklich zu erfahren, wie der Alltag in der Sierra aussieht, wurden wir auf einen mehrtägigen Maultier-Ritt zu unseren Produzenten mitgenommen. Wir waren stark beeindruckt von all der Mühsal, die die Familien für den Kaffee auf sich nehmen. Jeden Tag. Und doch können sie ohne fairen, direkten Handel eher schlecht als recht davon leben.
Aktuell leiden die Kaffeebauern weltweit unter den gestiegenen Energiekosten und den gestiegenen Kosten für Baumaterialien und – im Falle eines Zukaufs – unter gestiegenen Kosten organischer Dünger. Das schafft große Zukunftsängste.
Die Kaffeeparzellen der Familie Vergel
Edinael Vergel ist 60 Jahre alt und hat viele Jahre als Erntehelfer gearbeitet.
Eine Schule, so erzählt er uns, hat er nie besucht, seine erste lange Hose und sein erstes Paar Schuhe bekam er mit 11. Und dennoch weiß Edinael viel über das Leben, begegnet jedem Tag mit Freude und Optimismus. Er hört gerne Radio, vor allem die Nachrichten. Themen gab es mit ihm viele: die politische Entwicklung in Europa, die Situation in der Ukraine und: RB Leipzig.
2004 kaufte er eine kleine Finca mit Kaffeeparzellen, insgesamt rund 25 Hektar und machte sich damit selbständig. Heute bewirtschaften er, seine Frau Sule Salcedo und ihre beiden Söhne Wilnain und Bladimir die Finca gemeinsam, bauen in steiler Hanglage auf rund 1100 Metern Höhe die Arabica-Varietäten Typica und Castillo Colombia an. Zum Teil in geschlossenen Microlots. 3-4 Tonnen Kaffee erntet die Familie jedes Jahr.
Ihre Kaffeepflanzen sind aus der Luft – von der Drohne - kaum zu entdecken. Sie stehen im Schatten dichter Bewaldung. Das schützt die empfindlichen Pflanzen. Doch die Hanglage der Parzellen macht die Kaffeeernte zu einer echten Herausforderung.
Sind die Kirschen schließlich gepflückt, die Kaffeebohnen herausgeschält, gewaschen und getrocknet, werden sie auf Mauleseln ins Tal, nach Chimila gebracht. Jeder Maulesel trägt dabei 2 Säcke, rund 120 Kilo, und balanciert auf teils sehr steilen Bergpfaden hinunter ins Dorf. Die Kraft und Trittsicherheit dieser Tiere ist enorm. 3 bis 4 Stunden dauert der Transport – in der Trockenzeit. An die Regenzeit, wenn die Wege schlammig und rutschig sind, wollen wir gar nicht erst denken….
Klimawandel und Schädlinge
Wie viele Kaffeeproduzenten haben auch die Vergels mit dem Klimawandel zu kämpfen. Die trockenen und warmen Wetterphasen dauern seit einigen Jahren länger. Als Folge bilden viele Pflanzen nach der Ernte sofort noch einmal Blüten und junge Kirschen aus, die nicht nur der Pflanze viel Kraft rauben, sondern auch dem gefürchteten Kaffeekirschenkäfer („Broca“, verwandt mit dem Borkenkäfer) einen gefährlichen Grundstock für die nächste, gefrässige Generation bietet.
Früher hatte die Pflanze zwei, drei Monate Zeit, sich nach der Ernte zu erholen – viele Käferlarven hatten keine Nahrung, starben und mussten nach einiger Zeit eine neue Population bilden.
Die Antwort der Kaffeebauern auf die neue Situation: sie ernten die unreifen Kirschen dieser „Zwischenreifung“ und kompostieren sie. Kirschen die vom „Broca“ befallen sind, werden vernichtet. So hat die nächste Haupternte eine gute Ausgangsbasis. Doch diese zusätzliche Ernte kostet Geld. Denn die Bauern müssen Saison-Pflücker einsetzen, die die befallenen Kirschen von den Pflanzen zupfen. Und Feldarbeiter sind aktuell rar. Dazu kommt: die Löhne zusätzlicher Erntehelfer sind gestiegen. Das ist erstmal gut, doch die Kleinbauern können sich die Erhöhung der Löhne kaum leisten. Sie stehen ohnehin schon mit dem Rücken an der Wand.
Die Hochlandfinca von Nelson Trills
Der 48jährige Nelson Trills lebt mit seiner Frau Mirian und der 6 jährigen Celis versteckt hinter einem Bergrücken, auf rund 1900 Metern Höhe. Von Chimila aus brauchten wir auf Mauleseln rund 6 Stunden, um zu ihnen zu kommen. Er trocknet seine Hochland-Kaffeebohnen zusammen mit dem Fruchtfleisch und erhält einen hochwertigem Spezialitätenkaffee (Natural). Als einziger Bauer der Kooperative hat er hier oben auf seinen Hanglagen zwei Ernten pro Jahr: die Haupternte im November/Dezember und eine kleinere Nebenernte April/Mai. Sein Kaffee erreicht regelmäßig hohe Bewertungszahlen und einen guten Preis…..doch die Mengen sind deutlich geringer als in tieferen Lagen.
Nelson und seine Familie leben in bescheidenen Verhältnissen. Das Geld ist immer irgendwie knapp. Seit einigen Jahren baut die Kooperative allen Mitgliedern hochwertige Backsteinherde in die Küche und ersetzt die oft schon gesprungenen, verrußten, alten Herde aus Lehm und Feldsteinen. Vor einem Jahr bekam auch die Familie von Nelson Trills einen solchen Herd/Ofen. Er bedeutete für sie eine deutlich Verbesserung der Lebensqualität.
Die kleine Celis ist 6 und geht schon in die Schule. Um zum Schulgebäude zu kommen, braucht sie knapp eine Stunde auf dem Maulesel. Alleine geht das noch nicht. Außerhalb der Erntezeiten bringt ihre Mutter Mirian sie hin. Während der Kaffee-Ernte wird sie jedoch zu Hause unterrichtet -Zeit für den langen Ritt zur Schule hat dann niemand. Erst in zwei, drei Jahren wird Celis alleine reiten können. Der Besuch einer Schule hier oben ist wichtig für die Kinder. Sie lernen nicht nur Schreiben, Lesen und Rechnen, sie treffen auch ihre Freunde, können zusammen spielen und herumtoben. Viele Höfe liegen soweit auseinander, dass sich die Familien - und ihre Kinder - oft nur zu besonderen Anlässen treffen.
Honduras: Combrifol
Die Kooperative Combrifol entstand 2007 in Marcala aus einem Kirchenprojekt heraus. Das Ziel damals schon: „Mehr Gerechtigkeit in EINER gemeinsamen Welt!“. Seit 2012 verkauft Combrifol den Kaffee einer verhältnismäßig kleinen Anzahl von Einzelproduzenten. Derzeit von 23 Frauen und 51 Männern.
Combrifol liegt viel an der Stärkung junger Familien. Nicht nur, dass sie Frauen ermuntern, sich in betriebswirtschaftliche Bereiche aktiv einzubringen, großen Wert wird auf die Aus- und Weiterbildung der Kinder und Jugendlichen gelegt. Zweimal im Jahr verteilt die Kooperative Schulgeld (Sholarships): 1500 Lempira (ca. 50 Euro) für Schulanfänger, 3000 Lempira (ca. 100 Euro) für High School und Universität. In der ländlichen Region reicht das Geld für die jüngeren Schüler aus, die Highschool in Marcala ist jedoch teurer. Dafür sparen die Familien über die Jahre Geld an. Eine Ausbildung, das wissen sie, schützt ihre Kinder vor Armut.
Die Kooperative Combrifol besteht im Kern aus 3 Personen: Eduardo Caceres (Gesamtleiter), Jorge Rivas (Technischer Leiter) und Armida Nikolas (Verwaltung). Die drei kennen all ihre Mitglieder persönlich, zu vielen besteht ein freundschaftliches Verhältnis. Am Ortsrand von Marcala befinden sich die Verarbeitungsmaschinen (Entpulper, Sortiermaschinen) und die Trocknungszelte.
Seit wenigen Jahren bauen einige Mitglieder von Combrifol verstärkt die Varietät Marsellesa an. Sie ist bislang noch selten in Honduras, in den tieferen Regionen von Nicaragua findet man sie oft. Die Sorte weist eine erhöhte Resistenz gegenüber dem gefürchteten Kaffeepilz Roya auf, der den Kaffee in tieferen Lagen häufig befällt. Nach den Jahren 2011 und 2012, in denen der Pilz in Mittelamerika einen Großteil der Ernten vernichtet hat, wurde in Honduras vorwiegend Arabica/Catimore angebaut. Doch diese Sorte – stellt man nun fest - wird mit den Jahren immer anfälliger gegenüber Roya. Hinzu kommt, dass im Zuge der Klimaerwärmung auch höhere Anbauregionen befallen werden. Die Varietät Marsellesa trägt viel Hoffnung auf beständige ernten auf ihren zarten Blättern….
Lorenza Nikolas – Eine Frau voller Tatkraft und Optimismus!
Lorenza Nikolas baut in den Bergen nahe Marcala/Honduras auf rund 1600 Metern Höhe Arabica-Kaffee der Varietät Marsellesa an.
Bis 2017 hat die 55jährige als Tagelöhnerin für größere Kaffeebauern gearbeitet. Dann bekam sie über die Kooperative Combrifol die Chance, eine eigene Parzelle zu bewirtschaften. Auf etwa 7000 qm baut sie heute mit großem Enthusiasmus Kaffee an. Sie ist glücklich darüber, endlich ihre eigene Chefin zu sein.
Im November 2020 verlor sie durch die beiden Hurricanes Eta und Iota und den darauffolgenden Sturzbächen ihr Haus. Es wurde von den Wassermassen in wenigen Minuten einen Hang hinuntergespült. Zum Glück ist niemandem etwas passiert. Ihre 5 erwachsenen Kinder halfen ihr daraufhin beim Bau eines neuen Holzhauses. Dort wohnt sie heute mit zwei ihrer Söhne, dem 18jährigen Lucio und dem 10jährigen Eric.
Irgendwie hat sie es in all den Jahren immer geschafft, ihre Kinder zur Schule zu schicken – darauf ist Lorenza sehr stolz. Durch den Verkauf ihres Kaffees über den direkten Handel erhält sie deutlich mehr Geld, als ihr Großkonzerne bieten würden. So konnte sie bereits Schulden und Kleinkredite zurückzahlen und blickt nun hoffnungsvoll in die Zukunft.
Für die nächsten Jahre plant sie eine Vergrößerung ihrer Parzelle und noch mehr (natürlichen) Boden- und Pflanzenschutz. So hat sie bereits Zacata Limon (Zitronengras) als Erosionsschutz und schnell wachsende Palmen als Wind- und Sonnenschutz für die „divahaften“ Arabica-Kaffeepflanzen gesetzt.
Bei unserem Besuch wurden wir von Lorenza mit großer Herzlichkeit empfangen. Durch die Entwicklung in den letzten drei Jahren, ist sie – trotz aller Rückschläge – der festen Überzeugung: „Das Leben hat es gut mit mir gemeint!“
Jesus Garcia und Juan Alberto Chica – Es geht nur gemeinsam!
Die Brüder Jesus (31) und Juan (29) leben mit ihren Familien in Honduras - in der Gebirgsregion Nahuaterique, nahe der Grenze zu El Salvador. Dort bauen sie Arabica Kaffee der Sorten Pacamara, Pache und Lempira an. Ihre Eltern waren einfache Bauern, die sich ausschließlich selbst versorgten und ab und zu Bäume in den Wäldern fällten, um etwas Holz nach Marcala zu verkaufen. Ihre Söhne konnten immerhin zur Schule gehen – das war vor 20 Jahren nicht der Normalfall.
Heute übernehmen Jesus und Juan Aufgaben in der Gemeinde, haben leitende Funktionen in den Bereichen Wasserversorgung und Infrastruktur.
Beide haben je zwei kleine Kinder, die Frau von Jesus, Sara, arbeitet im Kindergarten mit. Sie spielt, bastelt und gärtnert mit den Kindern der Gemeinde.
Die Kommune Nahuaterique wächst Stück für Stück – das ist für eine ländliche Region eher ungewöhnlich. Mit Hilfe der Kaffee-Kooperative Combrifol konnte vergangenes Jahr ein Spielplatz mitten im Dorf gebaut werden – solche Treffpunkte sind für Eltern und Kinder, die oft auf entlegenen Höfen wohnen, ein wichtiger Ort, um sich auszutauschen, Probleme zu besprechen und um bei einem Notfall nachbarschaftliche Hilfe zu bekommen.
Der direkte Handel bezahlt den Produzenten höhere Preise – Geld, das die Kaffeebauern in Nahuaterique u.a. dafür nutzen, gemeinschaftlich zu investieren, z.B. in Trocknungszelte (für den Rohkaffee) und Arbeitsgeräte. Die gemeinsame Nutzung spart Geld, das an anderer Stelle dringend benötigt wird: beim Schulgeld, beim Kauf von Nutztieren für die Eigenversorgung oder für die Investition in ein gebrauchtes Laptop, z.B. für das Homeschooling in Corona-Zeiten.
Mexiko: UPCTIZ
Die mexikanischen Anteile unserer Blends stammen aus der Sierra Mixe Zapoteca in der Region Oaxaca, ganz im Süden Mexikos. Die Kooperative UPCTIZ (Union de Productores Campesinos Tierra Indigena Zapoteca) umfasst 234 Familien, die ihren Kaffee zwischen 1100 und 1400 Metern Höhe in Bio-Qualität anbauen.
Kaffee ist für viele indigene Familien in Oaxaca die einzige - und damit überlebenswichtige - Einnahmequelle. Viele erinnern sich noch an die Jahre 2011 und 2012, als der Kaffeerost, ein gefürchteter Pilz, in ganz Mittelamerika Kaffeebauern und -bäuerinnen um ihre Existenz brachte. Inzwischen werden resistentere, qualitativ hochwertige Arabica-Pflanzen angebaut. Diese hat man nicht durch Genveränderung erhalten, sondern durch Kreuzung verschiedener Sorten. Hinzu kamen schrittweise Verbesserungen bei der Aufzucht und der Düngung junger Pflanzen, beim Pflücken der Kirschen, in der Verarbeitung und der Trocknung der Bohnen. Ohne den fairen Handel, ohne Einkäufer, die ohne Zwischenhändler agieren und dadurch höhere Preise zahlen können, wäre all das - letztlich eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität - nicht möglich gewesen.
Die Kooperative UPCTIZ vertritt heute mehrere Generationen stolzer Erzeuger aus 13 verschiedenen Dörfern, die seit Jahrzehnten dasselbe Land bewirtschaften. Der Hauptsitz der Genossenschaft befindet sich im nahe gelegenen San Miguel. Dort unterhält die Kooperative ein großes Arabica-Gewächshaus, eine Krankenstation, bietet ihren Mitgliedern Beratungen und Schulungen in unterschiedlichsten Bereichen.